„Bom dia, senhor!“ schallt es fröhlich durch den Flur.
„Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Tag!“
Die Sonnenstrahlen fallen durch die Fenster des Hotels an der Algarve und Maria Ana strahlt mit ihnen um die Wette. Wie jeden Morgen empfängt sie mich mit einem Lächeln, das ansteckend ist wie die Wärme des Südens.
„Nicht weit vom Leuchtturm von Sao Vicente, oben in der Markthalle, gibt es ein kleines Restaurant. Da kannst du dir den Fisch vom Markt mitnehmen … aber auch die Cataplana ist super, die solltest du unbedingt probieren …“, sagt sie in einem wilden Mix aus Portugiesisch und Englisch, gemischt mit ein paar Brocken Deutsch. Sie schwärmt von den leckeren Meeresfrüchten und der atemberaubenden Aussicht.
Maria Ana arbeitet hier im Hotel als Zimmermädchen – aber sie ist viel mehr als das. Sie ist der Sonnenschein des Hotels. Mit ihrer Lebensfreude, ihrem ansteckenden Optimismus und ihrem Insiderwissen über die Algarve verzaubert sie jeden Gast.
Wie angenehm. Wie sympathisch. Nette Menschen, die ihre Arbeit mit Freude machen, sind etwas Schönes.
Die Sonne scheint nicht immer
Aber so schön die Sonne auch scheinen mag, sie kann nicht immer leuchten. So kam es, dass Maria Ana ein paar Tage frei hatte. Und an ihre Stelle trat eine Vertretung, die das Gegenteil von Maria Ana war. Gestresst, mit säuerlicher Miene, abwesend, nur ein müdes „Olá“ kommt über ihre Lippen. Kein Lächeln, kein freundliches Wort, kein Interesse an den Gästen. Kein Lächeln, kein nettes Wort, kein Interesse an den Gästen.
Was ist los? Hat sie Kopfschmerzen? Streit mit ihrem Mann? Ärger mit dem Chef? Hat sie gerade einen hochdotierten Job bei der Banco de Portugal verloren und muss nun hier Zimmer reinigen?
Während ich am Strand entlanglaufe, fallen mir Dutzende von Gründen ein, warum die Frau so schlecht drauf sein könnte. Klar, ihr Job als Zimmermädchen ist nicht unbedingt das ganz große Los. Aber dennoch beantwortet es nicht die Frage, warum Maria Ana, die genau die gleiche Arbeit macht, so anders drauf war.
Wir haben immer die Wahl
Wir haben die Wahl, mit welcher Einstellung wir arbeiten.
Ich bin mir bewusst, dass es nicht einfach ist, ständig mit einer positiven und engagierten Einstellung an die Arbeit zu gehen. Und natürlich gibt es immer wieder Erlebnisse, die einem die Laune verderben können. Ja, und dann sind da noch Schicksalsschläge wie Scheidung, Krankheit oder beruflicher Misserfolg. Wer kann in solchen Situationen fröhlich sein?
Es ist auch nicht für jeden möglich, einfach so den Arbeitsplatz zu wechseln. Die schlecht gelaunte Reinigungskraft wird aufgrund ihrer Qualifikation morgen wahrscheinlich nicht als Portfoliomanagerin bei der Banco de Portugal arbeiten können. Auch wenn sie vielleicht glaubt, dass sie in diesem Beruf zufriedener wäre. Menschen können nicht alle äußeren Faktoren beeinflussen. – Aber auf sich selbst und darauf, wie man denkt und handelt, kann man sehr wohl Einfluss nehmen.
Egal, welchen Beruf oder welche Position wir ausüben, ob Vorstand, Reinigungskraft oder Portfoliomanagerin – die Einstellung, mit der wir an unsere täglichen Aufgaben herangehen, haben wir selbst in der Hand. Und sie beeinflusst unser Wohlbefinden weit mehr als die Arbeitsbedingungen selbst.
Es gibt keine unbedeutende oder gewöhnliche Arbeit
Das bekannte Zitat von Martin Luther King bringt es wunderbar auf den Punkt:
„Wenn ein Mann zum Straßenkehrer berufen ist, dann sollte er Straßen kehren. So wie Michelangelo gemalt hat, wie Beethoven Musik komponiert hat oder wie Shakespeare geschrieben hat, so sollte er die Straßen kehren; so nämlich, dass all die Heerscharen des Himmels und der Erde innehalten und sagen werden: Hier lebte ein großer Straßenkehrer, der seine Arbeit gut gemacht hat.“
Ich interpretiere das so: Was immer du in diesem Augenblick tust, tue es mit ganzem Herzen. Engagiert. Bewusst. Mit Freude. Mit Freundlichkeit und einem klaren Commitment. Das ist so viel mehr, als nur einen Job zu machen.
Perfect Days
Wim Wenders‘ aktueller Film „Perfect Days“ beschreibt genau diese Haltung: Der Film entführt uns in die Welt von Hirayama, einem Toilettenreiniger in Tokio. In seinem Overall mit der Aufschrift „The Tokyo Toilet“ geht er seiner Arbeit nach – und das mit einer Hingabe, die ihresgleichen sucht.
Morgens begrüßt er den Tag mit einem Lächeln, steigt in seinen Putzdienst-Kastenwagen und lauscht auf dem Weg zur Arbeit den Klängen von Patti Smith und Lou Reed. Sanft gleitet der Film durch Hirayamas Alltag, beobachtet ihn beim Polieren von Toilettenschüsseln, beim Wischen von Spiegeln und beim Putzen von Fliesen. Jede Bewegung ist präzise, voller Konzentration und gleichzeitig voller Leichtigkeit.
Das alles mit einer meditativen Ruhe, die ansteckend ist.
Der Film ist eine Hommage an die Zufriedenheit, die aus einer Tätigkeit erwächst, die man mit Liebe und Hingabe ausführt.
„Perfect Days“ zeigt, dass es keine unbedeutende oder gewöhnliche Arbeit, wenn bedeutende und alles andere als gewöhnliche Menschen sie mit ganzem Herzen tun.
Lassen wir uns von Maria Ana und Hirayama inspirieren.
Was immer wir tun, tun wir es mit ganzem Herzen.
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