KNOC KNOC
Auf jedem Tisch liegt ein kleiner Holzhammer.
KNOC ist darauf eingraviert.
KNOC ist die Abkürzung für „Kein Nein ohne Chef“.
Wer denkt sich so etwas aus?
Und warum liegen die Hämmer auf den Tischen?
Und was hat das alles mit radikaler Kundenorientierung zu tun?
Die Idee stammt von igus®, einem Kölner Unternehmen, das Weltmarktführer für Kunststoffgleitlager und Energieführungsketten ist. Der seit 1964 bestehende Hidden Champion beschäftigt heute weltweit 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Und weil für den Geschäftsführer Frank Blase nicht Pläne und Unternehmensziele am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, sondern der Kunde, wird im Unternehmen KNOC praktiziert. KNOC für „Kein Nein ohne Chef“.
KNOC – Kein Nein ohne Chef
Ausgehend von dieser radikalen Kundenorientierung sind alle Mitarbeitenden aufgefordert, immer bei einem Mitglied des Führungsteams anzuklopfen, wenn sie meinen, einem Kunden NEIN sagen zu müssen. Nein zu einem bestimmten Wunsch. Nein zu einem Problem. Oder Nein zu einer Herausforderung.
Angenommen, ein Kunde ruft an und möchte einen Artikel bestellen, verlangt aber eine extrem kurze Lieferzeit. Aus Sicht der Produktionsplanung ist das nicht machbar. Die normale Reaktion der Auftragsannahme wäre, dem Kunden mitzuteilen, dass das Produkt zu diesem frühen Zeitpunkt leider nicht lieferbar ist. Schade, aber nicht zu ändern.
Bei igus® sind die Mitarbeitenden angehalten, erst einmal mit einem Vertreter des Führungsteams Rücksprache zu halten, bevor es heißt: „Tut uns leid. Geht nicht.“ Erst wenn auch dieser der Meinung ist, dass die Kundenanfrage negativ zu beantworten ist, informiert der Mitarbeitende den Kunden.
Mmh, das klingt erst einmal umständlich.
Einfacher wäre es, schnell und direkt NEIN zu sagen – und das war’s.
Der Kunde als Sparringspartner
Dahinter steht aber ein ganz wichtiger Gedanke. Es geht nicht darum, dass das Management die Kontrolle über die Neins der Mitarbeitenden nicht aus der Hand geben will. Es geht um etwas anderes:
Dieses Prinzip erhöht die Bereitschaft der Menschen im Kundenkontakt, Probleme selbst zu lösen und sich nicht erst an das Management zu wenden. Und es spornt an, auf den Zehenspitzen zu stehen, Prozesse und Produkte immer wieder zu hinterfragen und zu verbessern. Hier wird der Kunde nicht abgewimmelt oder mit einem Nein abgespeist, sondern er hat einen Partner auf Augenhöhe, der Anregungen und Herausforderungen bereitwillig annimmt, um dabei selbst zu wachsen.
Diese Herangehensweise von igus® hat mich beeindruckt – und daraus habe ich vier Wege identifiziert, wie man mit Kunden umgehen kann.
(1) Kunde: Wir können von dir lernen und es gemeinsam besser machen.
Das ist der Weg, den wir bei igus® gesehen haben, und das ist natürlich der Königsweg. Diese Haltung findet man vor allem bei kleineren Unternehmen. Je größer Unternehmen werden, desto größer werden tendenziell die Gräben, die sie um sich herumziehen. Wenn die Unternehmen gut sind, landen sie bei Weg 2.
(2) Kunde: Wir sind empathisch und tun alles, um unsere Beziehung stark zu halten.
Wer diesen Weg geht, will sich nicht von Kunden und hohen Erwartungen herausfordern lassen. Es geht nicht darum, gemeinsam zu lernen oder gemeinsam Prozesse und Produkte zu verbessern. Es geht darum, großzügig zu sein. Freundlich und hilfsbereit zu sein. Dem Kunden entgegenzukommen, auch mal kulant zu sein und die gute Beziehung zum Kunden zu erhalten oder bestenfalls auszubauen.
(3) Kunde: Wir zeigen dir, wie du dir helfen kannst
Hier wird das Serviceniveau noch etwas abgesenkt: „Das ist unser Angebot. So wie es ist, ist es gut und muss dir genügen. Voilà.“ Persönlicher Kontakt wird möglichst vermieden. Natürlich will man nichts lernen, nichts verbessern oder gar großzügig und entgegenkommend sein. Man ist nur da, wenn es Probleme mit dem Produkt oder der Dienstleistung gibt. Typischerweise mit Chatbots, Tutorials oder Videos. Google gibt wahrscheinlich keinen Cent aus, um Menschen im persönlichen Kontakt zu helfen. Das Geld, das sie sparen, investieren sie in etwas anderes, das ihnen Wachstum ermöglicht.
(4) Kunde: Hau ab!
Wir alle kennen Organisationen, die diesen Weg gehen: Hotelketten, Fluglinien, Kabelanbieter, unterfinanzierte Behörden… Trotz aller Floskeln aus dem Sprachbaukasten wie „Ihr Anruf ist uns wichtig … wir sind stets bemüht, Ihnen die beste Qualität zu liefern … bei uns steht der Kunde an erster Stelle…“
Vom Kunden lernen und gemeinsam besser werden?
Den Kundenservice forcieren, die Beziehung stark halten?
Hilfe zur Selbsthilfe anbieten?
Fehlanzeige!
Hätten diese Organisationen Mut, würden sie es einfach sagen.
Hätten diese Organisationen Talent, würden sie ihre Kunden zum Gehen bewegen, ohne sie zu verärgern.
Aber meistens haben sie weder Mut noch Talent.
Natürlich fasziniert mich Weg 1! Aber noch wichtiger, als Weg 1 als dauerhafte Lösung zu bevorzugen, ist es, klar zu sein. Kristallklar zu sein. Wenn du mit Kunden arbeitest, wähle deinen Weg und bleibe ihm treu. Sei dir darüber im Klaren, was jeder Weg wert ist und was er kostet. Dann tue es und gehe deinen Weg.
Verwirrung darüber, was du erreichen willst, welchen Weg du einschlagen willst oder wie viel Service du bieten willst, hilft niemandem.
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